
Deep Tech Innovationen haben keine ‚Go-to-Market-Strategie‘. Sie haben eine ‚Create-the-Market-Strategie‘ – oder sie scheitern.
- eM.
Warum Deep Tech nicht wie klassische Startups funktioniert
Die Startup-Welt ist voller Playbooks – und die meisten Erfolgsrezepte basieren auf den Prinzipien schneller Iteration, direktem Kundenfeedback und marktorientierter Optimierung.
Doch für Deep Tech-Startups gelten andere Regeln... Deep Tech ist keine Frage des Markteintritts, sondern der Markterschaffung – weil Innovationen hier oft erst die Basis schaffen, auf der neue Industrien entstehen.
Warum klassische Startup-Playbooks nicht übertragbar sind
Lean Startup? Nicht praktikabel, weil Deep Tech nicht durch schnelle MVPs validiert wird – oft ist die physikalische oder biologische Machbarkeit entscheidender als Nutzerfeedback.
Blitzskalierung? Unmöglich, weil Produktionskapazitäten, regulatorische Freigaben und industrielle Skalierung nicht mit der Geschwindigkeit von Software-Deployments mithalten.
Kundenzentrierung? Nur bedingt anwendbar, da viele Deep Tech-Innovationen Probleme lösen, die ihre Kunden erst langfristig verstehen werden.
Deep Tech bedeutet nicht nur, ein Unternehmen zu gründen – es bedeutet, eine Technologie zur Marktreife zu führen und gleichzeitig das Marktumfeld zu gestalten.
- eM.
Die Herausforderungen wissenschaftsgetriebener Innovationen
Deep Tech operiert an der Schnittstelle von Forschung und Wirtschaft, was eine völlig andere Dynamik als klassische Startups erzeugt:
Große Unsicherheiten in Forschung & Entwicklung: Die Machbarkeit einer Technologie ist oft nicht vorhersehbar, was die gesamte strategische Planung erschwert.
Lange Entwicklungszyklen & regulatorische Hürden: Während ein SaaS-Startup in sechs Monaten ein MVP auf den Markt bringen kann, braucht ein Quantenprozessor oder ein Biotech-Verfahren Jahre, um in die Testphase zu kommen.
Kapitalintensive Phasen vor der Marktreife: Ohne funktionierenden Prototyp kein Geld – aber ohne Geld oft kein funktionierender Prototyp.
Diese Hürden machen Deep Tech nicht nur risikoreicher, sondern erfordern auch eine völlig andere Herangehensweise an Finanzierung und Skalierung. Dafür bieten diese disruptiven Technologien deutlich atraktiveren ROI.
Deep Tech ist nicht gleich Deep Tech – Die Unterschiede innerhalb der Branche
Selbst innerhalb von Deep Tech gibt es erhebliche Unterschiede, die beeinflussen, wie eine Technologie den Weg zur Anwendung findet:
Biotech & MedTech:
Profitieren von etablierten regulatorischen Strukturen, aber durchlaufen strenge Zulassungsprozesse.
Haben oft klar definierte Fördermechanismen, um Investoren zu entlasten (z. B. NIH, BMBF, EU-Förderungen).
Investoren sind sich der langen Entwicklungszeiten bewusst – daher bessere Anpassung an Deep Tech-Dynamiken.
Neue Materialien & Quantencomputing:
Technologische Machbarkeit oft noch unklar, was Investoren abschreckt.
Kapitalintensive Skalierung, da Produktionsinfrastrukturen erst aufgebaut werden müssen.
Kommerzialisierung hängt stark von industriellen Partnerschaften ab.
Energie & Cleantech:
Hohe politische Abhängigkeit – Förderungen und Anreize bestimmen oft den Markt.
Enormer Kapitalbedarf, da Infrastrukturprojekte oft Milliarden erfordern.
Skalierung wird durch bestehende Industrien gebremst, die nicht immer an schnellen Veränderungen interessiert sind.
Die Kernfrage: Wie baut man Märkte für Technologien, die es noch nicht gibt?
Statt auf Produkt-Markt-Fit (PMF) muss der Fokus auf Technologie-Market-Fit (TMF) liegen:
Wann ist eine Technologie marktfähig? Nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus technischer, regulatorischer und industrieller Sicht.
Welche Akteure müssen involviert werden, damit der Markt entsteht? Partnerschaften mit Industrie, Regulierungsbehörden und Early Adopters.
Wie wird eine neue Technologie in bestehende Wertschöpfungsketten integriert? Deep Tech kann selten alleine stehen – es muss Teil eines Ökosystems werden.
Die Erschaffung neuer Märkte erfolgt oft nicht im luftleeren Raum, sondern auf Basis bestehender Industrien. Statt einen völlig neuen Markt zu definieren, können Deep-Tech-Unternehmen bestehende Wertschöpfungsketten verändern und Marktanteile aus angrenzenden Sektoren gewinnen.
Beispiel: Eine disruptive Recycling-Technologie kann nicht isoliert am Markt bestehen, sondern integriert sich in bestehende Branchen wie Waste Management, Verpackungsindustrie und industrielle Kreislaufwirtschaft. Die Technologie nimmt Anteile aus verschiedenen Märkten – je nachdem, welche Prozesse sie optimiert oder ersetzt.
Marktgestaltung bedeutet also nicht, völlig neue Industrien zu erschaffen, sondern bestehende Märkte strategisch zu transformieren, zu verbinden oder weiterzuentwickeln. Deep Tech braucht daher eine eigene Roadmap.
Warum klassische „MVP & Iterate“-Ansätze in Deep Tech nicht funktionieren
Das Konzept des „Minimum Viable Product“ (MVP) ist eines der zentralen Paradigmen moderner Startup-Methodik. Es beruht auf der Annahme, dass ein reduziertes, aber funktionsfähiges Produkt schnell auf den Markt gebracht werden kann, um iterative Verbesserungen auf Basis von Kundenfeedback vorzunehmen. Dieses Modell hat sich in digitalen Geschäftsmodellen bewährt – doch für Deep Tech ist es nicht nur unzureichend, sondern in vielen Fällen geradezu kontraproduktiv.
Hier sind die Entwicklungspfade durch physikalische, chemische oder biologische Grenzen bestimmt, nicht durch Design-Thinking oder iterative Feature-Entwicklung. Die Reife einer Technologie wird nicht durch Nutzerpräferenzen, sondern durch wissenschaftliche Validierung, industrielle Skalierbarkeit und regulatorische Zulassungen definiert.
Warum das MVP-Prinzip in Deep Tech scheitert
Physische Technologien sind nicht iterativ optimierbar
Während Software-produkte durch inkrementelle Updates verbessert werden können, erfordern Deep Tech-Technologien eine substanzielle und oft irreversible Entwicklungsleistung, bevor sie einsatzfähig sind. Die Herausforderungen in Biotech, Materialwissenschaft und Quantencomputing zeigen, warum iterative MVP-Ansätze nicht funktionieren (lies weiter).
Regulatorische Rahmenbedingungen verhindern schnelle Markteinführung
In vielen Deep Tech-Bereichen sind regulatorische Hürden kein sekundäres Problem, sondern ein zentrales Designkriterium:
Eine nicht zertifizierte Medizintechnologie ist kein „Beta-Produkt“, sondern eine potenzielle Haftungsfalle.
Ein neuartiger Energiespeicher kann nicht einfach „in kleinen Mengen verkauft“ werden, wenn er keine industrieweiten Sicherheitszertifikate erfüllt.
Neue Materialklassen erfordern oft Jahre der industriellen Adaptionsprozesse, bevor sie als zuverlässig genug gelten, um von großen Herstellern implementiert zu werden.
In diesen Sektoren entscheidet nicht „schnelle Marktvalidierung“, sondern wissenschaftliche und regulatorische Absicherung über den Erfolg.
Kundenfeedback als Grundlage für Iteration? Nicht hier.
Ein zentraler Fehler in der Übertragung des MVP-Gedankens auf Deep Tech ist die Annahme, dass frühes Nutzerfeedback zur Produktverbesserung beiträgt. Doch in wissenschaftsgetriebenen Märkten gilt:
Kunden sind keine Beta-Tester. Industriekunden verlangen robuste, erprobte Lösungen – nicht experimentelle Produkte.
Infrastrukturelle Trägheit verzögert Adoption. Ein Unternehmen kann nicht einfach einen neuen Sensor, ein neues Material oder eine neue Batterietechnologie „ausprobieren“, wenn die bestehende Produktionsinfrastruktur darauf nicht ausgelegt ist.
Ein Beispiel: Vor der Erfindung der Halbleiterindustrie hätte kein Unternehmen spezifizieren können, welche Anforderungen an einen Transistor gestellt werden müssen – weil das Konzept eines Computers auf Halbleiterbasis noch nicht existierte.
Alternative Strategie:
Proof-of-Concept → Proof-of-Scalability → Proof-of-Market
Da klassische Markteintrittsstrategien nicht greifen, benötigen Deep Tech-Unternehmen eine eigene Roadmap zur Validierung ihrer Technologie und zur Risikoreduzierung für Investoren. Viele verwechseln Proof of Principle (PoP) mit Proof of Concept (PoC): PoP zeigt die wissenschaftliche Machbarkeit, während PoC bereits eine erste Anwendung unter realistischen Bedingungen validiert (lies weiter).
Frühe Monetarisierung in Deep Tech – ein unterschätzter Erfolgsfaktor
Die lange Entwicklungszeit von Deep Tech bedeutet nicht zwangsläufig, dass in den frühen Phasen keine Umsätze generiert werden können. Die Herausforderung besteht nicht darin, kurzfristige Gewinne zu erzielen, sondern sinnvolle strategische Brücken zu bauen, die Finanzierungslücken schließen und gleichzeitig die technologische Reife vorantreiben (lies weiter).
Fundierte Strategien sind essenziell – und nur möglich, wenn man die Technologie versteht
Ein tiefgehendes Verständnis der zugrundeliegenden Technologie ist keine Option, sondern eine Grundvoraussetzung für strategische Entscheidungen in Deep Tech. Wer Deep Tech-Startups mit generischen Business-Strategien führt, wird an den inhärenten technologischen und regulatorischen Realitäten scheitern.
Der entscheidende Punkt: Strategien für Deep Tech können nicht von klassischen Startup-Methoden abgeleitet werden. Nur wer die wissenschaftlichen und technologischen Abhängigkeiten versteht, kann nachhaltige Monetarisierungs- und Skalierungsmodelle entwickeln.
Warum Investoren oft auf die falschen KPIs schauen – und warum der richtige Investor alles verändert
Investoren sind nicht gleich Investoren. Während klassische Venture-Capital-Fonds und Business Angels nach standardisierten Bewertungsmethoden investieren, stellt Deep Tech eine völlig andere Herausforderung dar. Die KPIs, die in Software- und Consumer-Tech-Startups als Erfolgstreiber gelten – exponentielles Wachstum, frühe Umsätze, hohe Margen – greifen hier nicht.
Der Grund: Deep Tech folgt einem anderen Entwicklungsrhythmus. Innovationen sind oft an wissenschaftliche Durchbrüche gebunden, die nicht quartalsweise abgerechnet werden können. Der Fortschritt ist zyklisch, nicht linear. Doch genau hier scheitern viele Investoren – nicht, weil Deep Tech zu risikoreich wäre, sondern weil sie mit den falschen Maßstäben darauf blicken (BIS Research Inc., Startup Insider GmbH).
Kapital ist nicht gleich Kapital – Warum klassische Finanzierungsmodelle versagen
Traditionelle VCs operieren mit klaren Erwartungen: 10-fache Rendite in fünf bis sieben Jahren. In Deep Tech ist dieses Paradigma nicht nur unrealistisch, sondern schädlich.
Statt rein finanzieller Skalierung braucht Deep Tech:
Langfristiges Kapital, das wissenschaftliche Unsicherheiten als inhärenten Bestandteil akzeptiert.
Strategische Investoren, die Netzwerke, regulatorisches Know-how und industrielle Kapazitäten mitbringen.
Hybride Finanzierungsmodelle, die öffentliche und private Kapitalquellen intelligent kombinieren, um die „Valley of Death“-Phase zu überbrücken.
Doch die Realität ist: Viele Investoren verstehen nicht einmal die Entwicklungsschritte in Deep Tech – geschweige denn die Kapitalstrukturen, die es braucht.
Proof of Principle vs. Proof of Concept – und warum es Investoren (und Gründern) oft nicht klar ist
Ein fundamentaler Fehler in der Bewertung von Deep Tech-Unternehmen liegt in der Verwechslung von Proof of Principle (PoP) und Proof of Concept (PoC).
Proof of Principle (PoP):
Validiert einzelne wissenschaftliche Mechanismen – zeigt, dass ein theoretischer Ansatz experimentell nachgewiesen werden kann.
Bedeutet keine industrielle Skalierbarkeit, sondern nur, dass die physikalische, chemische oder biologische Grundlage tragfähig ist.
Proof of Concept (PoC):
Überträgt das Prinzip in einen anwendungsnahen Demonstrator – zeigt, dass die Technologie unter relevanten Bedingungen funktioniert.
Ist der erste Schritt in Richtung Industrialisierung, aber noch weit entfernt von Marktreife.
Viele Investoren (und Gründer) übersehen diesen Unterschied – sie bewerten ein Unternehmen auf Basis eines erfolgreichen PoP, obwohl es noch Jahre von einem validierten PoC entfernt ist. Hier entstehen die fatalen Fehleinschätzungen, die zu falschen Finanzierungsentscheidungen führen.
Und genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Wer versteht, dass ein PoP kein Markteintritt, sondern der wissenschaftliche Grundstein ist, kann fundierte Strategien entwickeln. Wer das nicht versteht, erwartet Umsatzprognosen für Technologien, die noch nicht einmal im PoC-Stadium sind.
Warum Business Angels in Deep Tech oft nutzlos sind
Business Angels sind in vielen Bereichen essenziell, doch in Deep Tech häufig fehl am Platz:
Ihre Investments sind zu klein. Mit 50.000–500.000 € lassen sich keine skalierbaren Experimente oder industrielle Pilotprojekte finanzieren.
Es fehlt an technologischem Verständnis. Viele Angels kommen aus Software oder digitalen Geschäftsmodellen – sie verstehen nicht, warum wissenschaftliche Unwägbarkeiten nicht durch „bessere Execution“ gelöst werden können.
Falsche Erwartungen an das Marktfeedback. In Consumer-Tech funktioniert Trial & Error – in Deep Tech bedeutet eine falsche Strategie oft, dass Jahre an Forschungszeit verloren gehen.
Brückengelder & Frühphasenfinanzierung – keine echte Strategie
Viele Deep-Tech-Startups setzen in frühen Phasen auf Brückenkapital oder Innovationszuschüsse. Doch während diese Mittel hilfreich sind, lösen sie keine strukturellen Herausforderungen.
Das eigentliche Problem:
Brückenkapital überbrückt Zeit, aber nicht Skalierungsbarrieren.
Zu viele kleine Finanzierungsrunden führen zu einem fragmentierten Kapitalansatz.
Wer zu stark auf Zuschüsse setzt, optimiert sich auf Förderlogiken statt auf eine nachhaltige Kapitalstrategie.
Die entscheidende Frage ist deshalb nicht, „Wann ist das Produkt marktreif?“, sondern „Wie gestaltet sich der Übergang vom Proof of Principle zur Industrialisierung?“
Warum Technologie die Marktgestaltung diktiert – und nicht umgekehrt
Die meisten Startup-Strategien basieren auf dem Prinzip, dass ein Unternehmen sich an bestehende Marktmechanismen anpasst. Produkt-Markt-Fit, Wettbewerbsanalysen und Markteintrittsstrategien setzen voraus, dass ein Markt existiert – oder zumindest in seiner Grundstruktur vorhersehbar ist. Doch genau hier liegt der fundamentale Fehler, wenn diese Logiken auf Deep Tech angewendet werden.
Deep Tech ist nicht iterativ – es ist disruptiv. Neue Technologien verändern nicht nur existierende Märkte, sie schaffen oft völlig neue. Wer also versucht, Deep Tech nach klassischen Business-Frameworks zu positionieren, verwechselt Kausalität mit Korrelation: Nur weil viele Unternehmen nach bestimmten Prinzipien wachsen, heißt das nicht, dass diese Prinzipien auf technologisch bahnbrechende Innovationen übertragbar sind.
Technologische Machbarkeit setzt die Grenzen, nicht der Business-Plan
Ein Business-Plan kann vieles vorhersagen – Marktentwicklung, Kundenbedürfnisse, Vertriebsmodelle. Doch er kann keine physikalischen oder chemischen Gesetzmäßigkeiten ändern.
Dieser Punkt wird oft unterschätzt, wenn Investoren und unerfahrene Strategieberater versuchen, Deep Tech-Innovationen in klassische Wachstumsmodelle zu pressen:
Eine neue Batteriechemie kann nicht einfach skaliert werden, wenn die Rohstoffverfügbarkeit oder Syntheseprozesse das nicht zulassen.
Quantencomputer lassen sich nicht einfach „marktreif machen“, wenn die Fehlerkorrektur oder Hardware-Stabilität wissenschaftlich noch nicht gelöst ist.
Biotechnologische Verfahren durchlaufen regulatorische Prüfungen, die Jahre dauern – unabhängig davon, wie attraktiv der Markt ist.
Die Realität ist: Business-Strategien müssen sich der Technologie anpassen, nicht umgekehrt. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur Kapital, sondern zerstört oft die eigentliche Innovationschance.
Fallstudie: Warum Unternehmen scheitern, wenn sie sich an Business-Trends statt an technologischer Realität orientieren
Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie fehlgeleitete Marktstrategien eine vielversprechende Technologie ausbremsen können, findet sich in der Materialforschung – insbesondere bei Metal-Organic Frameworks (MOFs).
MOFs galten über Jahre als revolutionäre Materialklasse mit extrem hoher Porosität, die für Anwendungen in der Gas-Speicherung, Katalyse und Wasserstoffwirtschaft enorme Potenziale versprach.
Doch während Investoren auf die „nächste große Material-Disruption“ hofften, ignorierten viele Marktakteure die grundlegenden Herausforderungen:
Instabilität unter realen Bedingungen – Viele MOFs zeigten im Labor überragende Eigenschaften, waren aber in industriellen Prozessen nicht stabil genug.
Produktionskosten & Skalierung – Die Herstellung blieb teuer, und es fehlten industrielle Syntheseverfahren für den großflächigen Einsatz.
Marktfehlanpassung – Viele Startups versuchten, sich als „Material-Startups“ zu positionieren, ohne zu berücksichtigen, dass die eigentliche Wertschöpfung nicht im Material selbst, sondern in dessen Anwendung liegt.
Das Ergebnis: Viele Unternehmen blieben in der F&E-Phase stecken oder verschwanden, weil ihre Business-Modelle auf einer angenommenen Marktdynamik basierten – und nicht auf einer realistischen Technologieentwicklung.
Die Lehre daraus? Es reicht nicht, eine bahnbrechende Technologie zu haben. Die Marktentwicklung muss strategisch mitgestaltet werden – und zwar auf Basis dessen, was technologisch möglich ist.
Drei Markteintrittsmodelle für Deep Tech
Da klassische „Go-to-Market“-Strategien in Deep Tech selten funktionieren, braucht es alternative Monetarisierungsstrategien, die auf den spezifischen Eigenschaften wissenschaftsgetriebener Innovationen basieren.
IP-Lizenzierung – Monetarisierung durch Patente
Eine der häufigsten, aber oft unterschätzten Strategien in Deep Tech ist die Monetarisierung über intellektuelles Eigentum (IP). Statt selbst eine Skalierung vorzunehmen, verkaufen Unternehmen ihr technologisches Know-how an etablierte Industrien.
Anwendungsfälle:
Halbleitertechnologien: Startups entwickeln neuartige Transistor-Architekturen und lizenzieren sie an Chiphersteller.
Batterietechnologien: Neue Elektrodenmaterialien oder Elektrolyte werden von Automobilherstellern lizenziert.
Vorteil: Monetarisierung ohne eigene Produktionsrisiken.
Nachteil: Stark abhängig von bestehenden Industriepartnerschaften.
Joint Ventures mit Industriekonzernen – Skalierung durch etablierte Marktteilnehmer
Ein weiteres bewährtes Modell ist die strategische Partnerschaft mit Großunternehmen. Hier bringt das Deep Tech-Startup die disruptive Technologie, während der Industriepartner die Produktions- und Marktzugangsstrukturen bereitstellt.
Anwendungsfälle:
Wasserstofftechnologien: Startups, die neue Katalysatoren oder Membranen entwickeln, kooperieren mit Energiekonzernen zur Industrialisierung.
Quantencomputing: Hardware-Startups arbeiten mit etablierten Tech-Giganten zusammen, um den technologischen Übergang zu ermöglichen.
Vorteil: Großunternehmen übernehmen regulatorische & industrielle Risiken. Nachteil: Gefahr, die eigene Innovationskontrolle zu verlieren.
Integrierte Systemkomponenten – Technologie als Teil eines größeren Produkts
Viele Deep-Tech-Innovationen sind keine Endprodukte, sondern Schlüsselkomponenten für größere Systeme. Statt ein eigenständiges Unternehmen aufzubauen, setzen erfolgreiche Startups darauf, sich als „kritischer Baustein“ in eine bestehende Wertschöpfungskette zu integrieren.
Anwendungsfälle:
Sensorik & Photonik: Neuartige optische Sensoren werden in autonome Fahrzeuge integriert.
Nanomaterialien: Neue Beschichtungen oder Membranen werden in bestehende Industrieverfahren eingebunden.
Vorteil: Direkte Markteinführung durch bestehende Wertschöpfungsketten.
Nachteil: Stark abhängig von dominanten Marktakteuren.
Marktgestaltung beginnt mit Technologie – nicht mit Business-Plänen
Deep Tech-Startups, die sich an klassischen „Go-to-Market“-Frameworks orientieren, scheitern oft, weil sie die Kausalität falschherum denken. Es ist nicht der Markt, der die Technologie definiert – sondern die Technologie, die den Markt formt.
Warum Businesspläne für Deep Tech nichts wert sind, wenn sie nicht an wissenschaftlicher Machbarkeit ausgerichtet sind
Businesspläne haben in der traditionellen Unternehmenswelt einen fast mythischen Status. Sie gelten als Blaupause für strategische Entscheidungen, als Kompass für Investoren und als Leitfaden für Skalierungsprozesse. In vielen Industrien mag das funktionieren – in Deep Tech jedoch ist ein statischer Businessplan nicht nur unzureichend, sondern kann eine der größten strategischen Fehleinschätzungen sein.
Es ist daher eine Illusion zu glauben, dass eine disruptive Technologie sich einfach entlang eines vorher definierten Marktbedarfs entwickeln lässt.
- eM.
Warum klassische Businesspläne in Deep Tech oft scheitern
In Deep Tech bestimmt nicht der Markt den Fahrplan, sondern die Technologie selbst. Wer eine Excel-Umsatzprognose wichtiger nimmt als technologische Validierung, verfehlt den Kern.
Deep Tech-Startups arbeiten häufig an Technologien, die völlig neue Märkte schaffen. Die Entwicklung verläuft nicht linear, sondern zyklisch. Viele Geschäftsmodelle setzen gar nicht darauf, direkt Endprodukte zu verkaufen, sondern verfolgen einen Zero-to-One-Ansatz: Die Aufgabe besteht darin, eine Technologie in eine real nutzbare Form zu bringen, sie unter industriellen Bedingungen zu testen, zu optimieren und zu validieren – und erst dann darüber nachzudenken, wie sie wirtschaftlich verwertet wird.
In der Praxis bedeutet das, dass viele Deep Tech-Startups gar nicht darauf ausgerichtet sind, innerhalb weniger Jahre ein marktreifes Produkt zu haben. Stattdessen liegt ihr wirtschaftlicher Erfolg oft in:
Lizenzierungen von Patenten und technologischen Verfahren,
strategischen Exits an Industriepartner,
oder der Integration ihrer Technologie in bestehende Wertschöpfungsketten.
Ein Businessplan, der mit klassischen Umsatzprojektionen und Wachstumsannahmen arbeitet, kann diese Dynamik kaum abbilden. Vielmehr entsteht die Gefahr, dass Investoren oder sogar Gründer selbst in eine Denkweise gedrängt werden, die ihre Technologie als etwas behandelt, das sich wie ein SaaS-Produkt oder ein digitales Geschäftsmodell entwickeln lässt – mit vorhersehbarem Marktfeedback, schneller Iteration und einem klaren Kundenprofil.
Scientific & Market Validation statt statischer Businesspläne
Ein starrer Businessplan ist daher nicht nur nutzlos, sondern gefährlich. Stattdessen braucht Deep Tech ein dynamisches Modell, das technologische und marktseitige Validierung intelligent verbindet.
Scientific Validation bedeutet, dass nicht nur die Marktfähigkeit einer Technologie überprüft wird, sondern dass die technologischen Hürden klar identifiziert und entlang der wissenschaftlichen Entwicklungszyklen bewertet werden. Es reicht nicht aus, ein Problem und einen adressierbaren Markt zu identifizieren – in Deep Tech muss jede Business-Strategie auf der realistischen Einschätzung der technologischen Machbarkeit basieren.
Parallel dazu ist Market Validation ein Prozess, der nicht einfach die Marktgröße berechnet, sondern herausarbeitet, ob und wie eine Industrie bereit ist, eine neue Technologie zu übernehmen. Dabei geht es nicht nur um Kundenakzeptanz, sondern um eine tiefere Analyse der regulatorischen Anforderungen, infrastrukturellen Hürden und der bestehenden industriellen Strukturen, in die eine Technologie integriert werden müsste.
Beide Dimensionen sind miteinander verknüpft – und genau hier versagen viele klassische Businesspläne. Sie setzen Marktgröße mit Marktverfügbarkeit gleich, ignorieren technologische Entwicklungszyklen und zwingen Deep Tech-Startups in künstliche Geschäftsmodelle, die ihre wissenschaftlichen Unsicherheiten nicht berücksichtigen.
Die neue Spielregel: Markt schaffen statt Markt erobern
Wer Deep Tech erfolgreich machen will, braucht kein „Go-to-Market“-Playbook – er muss ein Create-the-Market-Mindset entwickeln. Es reicht nicht, eine bahnbrechende Technologie zu entwickeln und dann nach einem bestehenden Markt zu suchen. Erfolg in Deep Tech bedeutet, gleichzeitig Technologie, Marktmechanismen und Industrialisierung zu gestalten.
Das erfordert eine völlig neue Denkweise:
Investoren, Industriepartner und Kunden müssen parallel mitgenommen werden – nicht erst, wenn ein fertiges Produkt vorliegt.
Deep Tech-Startups müssen lernen, Marktmechanismen aktiv zu definieren, anstatt sich in vorhandene Strukturen zu zwängen.
Wert entsteht nicht nur durch ein verkaufsfertiges Produkt, sondern oft schon durch wissenschaftliche und industrielle Validierung.
Das klassische Businessplan-Denken ist daher nicht nur überholt – es ist eine Gefahr für die strategische Ausrichtung vieler Deep Tech-Unternehmen. Wer an diesen Strukturen festhält, verliert nicht nur Zeit, sondern nimmt seiner Technologie die Chance, sich an den tatsächlichen wissenschaftlichen und industriellen Realitäten zu orientieren.
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Maria & Arise Innovations Team
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Blog: Communications
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